Fotografie als Kunst im öffentlichen Raum

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Fotografie als Kunst im öffentlichen Raum, ein Gespräch anhand der Arbeiten:


Universitätsbibliothek; Thomas Ruff - Fassade der Universitätsbibliothek Eberswalde

17. Juni 53; Wolfgang Rüppel - Denkmal zum Aufstand des 17. Juni 1953 am Pariser Platz Berlin

Through the Looking Glass; Ute Lindner am ehemaligen Eingangshäuschen in den Anlagen Savignyplatz Berlin

Ohne Titel; Frank Thiel Markierung des Checkpoint Charlie als ehemaliger innerstädtischer Grenzübergang


Thomas Leuner: Fotografie und Kunst am Bau - ist das nicht schon ein Widerspruch in sich?


Thorsten Goldberg: Es scheint da eine personelle Unverträglichkeit zu geben, die ich aber nie verstanden habe. Auf der einen Seite sind da die Fotografen, und in der anderen Szene bewegen sich die Künstler, die Kunst für öffentliche Räume konzipieren. Das sind zumeist Bildhauer. Die beiden Szenen treffen selten aufeinander, mischen sich nicht und sie scheinen nicht viel von einander zu wissen. Das betrifft alle Aspekte der Arbeit und deren Strukturen, der Geschichte und der aktuellen Inhalte und ebenso die technischen Aspekte. Dabei gibt es technisch erstmal gar keinen Widerspruch. Die wenigen Beispiele, in denen Bildhauer fotografische Mittel zur Gestaltung von öffentlichen Räumen nutzen oder solche, bei denen Fotografen mit ihren Mitteln in Bauten eingreifen, zeigen, dass die beiden Bereiche durchaus kompatibel sind.


Thomas Leuner: Kannst Du einige markante Beispiele in Berlin nennen?


Thorsten Goldberg: Wenn ich mich auf Berlin und die nähere Umgebung beschränke, dann ist hier erst einmal die Arbeit von Frank Thiel am ehemaligen innerstädtischen Grenzübergang Checkpoint Charly an der Friedrichstraße zu nennen. In unmittelbarer Nähe davon, an der Leipziger-, Ecke Wilhelm- Straße Wolfgang Rüppels Denkmal zur Erinnerung an die Ereignisse des 17. Juni 1953. Beides sind Arbeiten, die an die Geschichte der DDR erinnern und aus Wettbewerben hervorgegangen sind, die ebendies zum Anlass hatten. Es sind Beispiele der Kunst im öffentlichen Raum, die jeweils sehr genau in die räumliche Situation eingepasst sind. Als prominentes Beispiel der Kunst am Bau ist die Arbeit von Thomas Ruff für die Bibliothek der Universität in Eberswalde zu nennen. Eine weitere, ganz frisch realisierte Berliner Arbeit, die mit fotografischen Mitteln den Raum und Architektur gestaltet, ist „Through the Looking Glass“ von Ute Lindner am Savignyplatz.


Thomas Leuner: Wenn in der Welt der Fotografie nur eine geringe Vorstellung von Kunst am Bau besteht, sollten wir uns doch sorgfältig die aktuellen Strukturen betrachten. Schon bei den Begrifflichkeiten gibt es wohl einige Fallstricke: Was ist „Kunst am Bau“ und was „Kunst im öffentlichen Raum“?


Thorsten Goldberg: Im Gegensatz zur flexiblen Präsentation von Kunst in ästhetisch so zurückgenommen und neutral wie möglich gestalteten Kunsträumen, wie etwa Museen oder Galerien, stellt die ‚Kunst am Bau’ ebenso wie die Kunst im öffentlichen Raum eine ortsspezifische künstlerische Reaktionen auf die besonderen Bedingungen der Architektur und des Umraumes dar. Sie geht einen Dialog mit dem Umraum ein und steht in Abhängigkeit zu den sie umgebenden Bedingungen und wird dadurch zu einem Bestandteil des Ortes oder des Baus. Das können Brunnengestaltungen, solitäre Skulpturen, Malerei ebenso wie nicht-dinghafte Arbeiten sein, also Lichtkunst, akustische Beiträge oder andere mediale Arbeiten bis hin zu dargestellten Prozessen. ‚Kunst im öffentlichen Raum’ bezeichnet allgemein Kunstwerke, die im kommunalen öffentlichen Raum oder auch nur im öffentlich zugänglichen Raum, also auf der Straße, auf Plätzen, in städtischen Parks oder in der Landschaft von jedermann zu erleben sind.

Die Wurzeln der heutigen ‚Kunst im öffentlichen Raum’ findet man unter anderem in dem Konzept der ‚site specifity’ in den späten 60er Jahren bei Richard Serra. Das moderne Konzept des mobilen und in sich geschlossenen Kunstwerks, der flexibel zu arrangierenden Positionierung von Plastiken wird zugunsten einer standortspezifischen Positionierung aufgehoben. Skulptur steht also nicht mehr isoliert, sondern in Verbindung mit städtischer oder landschaftlicher Umgebung. Die ‚Kunst am Bau’ steht in direkter baulicher oder inhaltlicher Verbindung mit dem Baukörper oder dem Grundstück. Der Begriff ist unabhängig von der allgemeinen Zugänglichkeit - die Kunst kann im Innen- oder Außenraum stattfinden und in Abhängigkeit davon, ob der Auftraggeber und der Realisierungsort ein privater oder ein öffentlicher ist, ist die Kunst gleichsam eine Kunst in einem öffentlichen Raum. Insofern besteht also eine Schnittmenge zur Kunst im öffentlichen Raum und die Übergänge sind fließend.

‚Kunst im öffentlichen Raum’ oder hier ‚Kunst im Stadtraum’ und auch ‚Kunst am Bau’ bezeichnen aber auch ein Programm, bzw. eine Regelung, die beschreibt, wie, wann und wo künstlerisch gestalterische Maßnahmen im Zusammenhang mit baulichen Investitionen stattfinden sollen und welche Mittel hierfür eingestellt werden. Unter „(1) Allgemeines“ der Allgemeinen Anweisung für die Vorbereitung und Durchführung von Baumaßnahmen Berlins (Abau) ist zu lesen: „1. Unter Kunst am Bau sind künstlerische Gestaltungen in und an Bau- werken, in Grünanlagen, auf Plätzen, Straßen usw. zu verstehen. 2. Unter ‚Kunst im Stadtraum’ sind künstlerische Gestaltungen an stadträumlich bedeutsamen Stellen oder in Bezug auf besondere Bauwerke sowie für besondere gesellschaftlich relevante Themenstellungen zu verstehen.“ Der Leitfaden „Kunst am Bau“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW 2005) besagt in Absatz 2.3: „Kunst am Bau bezieht sich auf das Gebäude oder/und das Baugrund- stück.“ Er führt weiter aus: „Kunst am Bau ist eine besondere künstlerische Aufgabe mit unmittelbarem öffentlichen Bezug. Künstlerische Idee und Bauaufgabe sollen sich ergänzen. Der Orts- und Objektbezug der Kunst am Bau trägt dazu bei, Akzeptanz und Identifikation der Nutzer mit ihrem Bauwerk sowie in der Öffentlichkeit zu stärken, Aufmerksamkeit herzustellen und Standorten ein zusätzliches Profil zu geben.“ Einerseits also Kunst als dialogisches Prinzip im Zusammenklang mit ihrem Umfeld, an der Nahtstelle zwischen Architektur und Natur, andererseits wird hier ganz selbstverständlich auch eine Indienstnahme und Verwertung künstlerischer Äußerungen vorgenommen.


Thomas Leuner: Das wäre also der äußere Rahmen. Aber wo liegt denn die besondere kulturspezifische Relevanz einer Kunst im öffentlichen Raum? Häufig sind ja die Ausschreibungen und die realisierten Arbeiten einer außergewöhnlichen öffentlichen Diskussion ausgesetzt.


Thorsten Goldberg: Die Diskussion ist natürlich beabsichtigt - es ist ja eine Kunst, die die Öffentlichkeit in jeder Hinsicht sucht. Mit dem Anspruch auf Intervention in den öffentlichen Raum formuliert sich auch ein Anspruch der Kunst auf das politische Handlungsfeld im öffentlichen Raum. Die Diskussionen sind also Bestandteil der künstlerischen Arbeit. Das Vordringen der Kunst in den öffentlichen Raum seit den 70er Jahren bedeutete seinerzeit eine Infragestellung der traditionellen Institution Museum und ging einher mit der Forderung nach Aufhebung der ‚Kulturschranken zwischen Kunst und Alltag’. Heute wirkt Kunst längst auf vielfache Weise in den Alltag hinein, und umgekehrt wirkt Alltag in die Museen rein, dass selbst hier in manchen Fällen die Kunst heute erst wieder Einzug halten sollte. Es müssen in dieser Hinsicht keine Schranken mehr aufgehoben werden. Infragezustellen ist heute das diskursive Potenzial des öffentlichen Raumes. Der Raum hat sich woandershin verlagert und dabei aufgespalten, gleichzeitig sind viele neue Akteure dazugekommen. Zwar bleibt der Anspruch der Kunst, auf Thematisierung von Öffentlichkeit und auf ein politisches Handlungsfeld im öffentlichen Raum bestehen, aber der geeignete Raum hierfür ist nicht mehr notwendigerweise der erfahrbare Außenraum. Von "einer" Kunst im öffentlichen Raum kann man daher gar nicht mehr sprechen. Mit den Strukturen sind auch die Motive vielschichtiger geworden. Es macht einen Unterschied, wie ein Kunstwerk in die Öffentlichkeit gebracht wird, durch wen es initiiert wird und wer es beauftragt.


Thomas Leuner: Was macht das Besondere der Arbeit von Thomas Ruff an der Universitätsbiblothek in Eberswalde aus? Vielleicht kannst du daran die Genese solcher Projekte darstellen.


Thorsten Goldberg: Unmittelbar an der Straße steht der Bau als eine geschlossene Kiste mit drei von außen sichtbaren schmalen Fensterreihen. Der Eingang befindet sich auf der der Straße abgewandten Rückseite im Hof der Universität. Derart an die Straße vorgerückt, ist der Bau schon von weitem zu sehen. Die Fassade wird gebildet aus 17 Reihen übereinander- liegender Fotoplatten - der gesamte Bau ist also allseits überzogen mit fotografischen Schwarz-Weiß Bildern. Elf sich in Reihen wieder- holende Motive werden jeweils auf ca. 150 x 70 cm großen Fassaden- platten gezeigt. Bei näherer Betrachtung sieht man, dass die Bilder als grobes Punktraster in die Betonplatten vertieft sind. In einem eigens entwickelten Verfahren auf Siebdruckbasis wurden die Motive in den Beton eingeätzt. Zusätzlich zu den schmalen Fenstern gibt es drei Reihen mit größeren Fensterbändern, die die Fassade nicht unterbrechen und von außen kaum sichtbar sind, weil sie komplett bündig mit den Betonplatten ebenfalls mit gerasterten Motiven bedruckt sind. Diese komplette Behandlung und die Geschlossenheit verstärken den Eindruck einer tätowierten Kiste. Die Wiederholung der gleichen Motive in Reihen zieht Ornamentbänder um das Gebäude. Vielfach wiederholt, fast schon ritualhaft wird der Inhalt des Baus nach außen gebracht. Die visuellen Informationen auf der Außenhaut verweisen auf den Informationsgehalt der Bibliothek, sie versinnbildlichen konzentriertes Wissen. Es sind öffentliche Bilder, die aus Zeitungen und anderen Medien bekannt sind und solche, die allgemein dem Komplex Mensch und Wissen zugeordnet sind oder solche, die auf die Fachhochschule verweisen: Vater und Söhne eine Modelleisenbahn betrachtend über einer Abbildung des Flugzeugprototyps Loadmaster CBY-3 von Vicent Burnelli aus den 50er Jahren. Eine bekannte Fotografie von 1961, die Menschen zeigt, die aus Fenstern der Häuser an der Bernauer Straße springen über "Venus und Cupido" des italienischen Malers der Hochrenaissance Lorenzo Lotto. Ein großer Hirschkäfer über der Abbildung eines Gemäldes "Alexander von Humbold und Aimé Bonpland im Urwaldlaboratorium am Orinoco" von Eduard Ender von 1850. Es ist eine Kunst-am-Bau-Arbeit an einem öffentlichen Gebäude, die besonders in den Außenraum hineinwirkt. Anders als es die oben beschriebenen Anweisungen vorgeben, hat hier kein konkurrierendes Wettbewerbs- verfahren mit eingeladenen Künstlern stattgefunden. Hier ist ein fertig geschnürtes Paket - Architekt und Künstler - abgeliefert worden. Eine Ausschreibung unter Beteiligung von Anwohnern und Nutzern wie im Leitfaden Kunst am Bau beschrieben, fand nicht statt. Eine solche direkte Beauftragung ohne Auswahlverfahren bringt in anderen Fällen dicke Steine vor Banken oder Pferde vor Bahnhöfen und andere Scheußlichkeiten hervor, schafft also nicht gerade Identifikation sondern löst in der Regel verständlichen Unmut und Diskussionen aus. Kunst und Architektur gehen hier jedoch eine ungewöhnlich enge Verbindung ein, die in einer aus einem Wettbewerb hervorgegangenen Konstellation schwer vorstellbar wäre. Die enge Zusammenarbeit des Künstlers und der Basler Architekten Herzog & de Meuron bezieht sich auf die Entwicklung der künstlerischen Verfahrensweise ebenso wie auf die Bildauswahl. Die Motive wurden im Vorfeld in der Öffentlichkeit vorgestellt und intensiv diskutiert. Einige Motive mussten daraufhin ausgetauscht werden, und die letztendliche Auswahl der Bilder ist in einem gemeinsamen Prozess mit der damaligen Hochschulleitung, den Architekten und Thomas Ruff getroffen worden. So ist letztens Endes eine ebenso radikale wie auch wirklich schöne Lösung gelungen. "Ohne die Fotos wäre das ein langweiliger Klotz" zitiert die Berliner Zeitung Pierre de Meuron (8.4.99, Lokales, S. 28, Susanne Rost).


Thomas Leuner: Was ist dagegen das Spezifische der Arbeiten von Frank Thiel am Checkpoint Charly – die zu einer Touristenattraktion geworden sind?


Thorsten Goldberg: Frank Thiel zeigt das Konterfei eines jungen amerikanischen Soldaten und das eines jungen russischen Soldaten in Uniform, freigestellt vor weißem Grund in ca. 3 m Größe als Leuchtdisplay ca. 5 m über dem Straßenniveau der Friedrichstraße. Die beiden - fast Kinder noch - schauen jeweils dem Sektorenbesucher entgegen - der Amerikaner schaut also nach Osten, hier Norden und der Russe nach Westen, hier Süden. Sie stehen als Erinnerung an die alliierte Militärpräsenz an dem authentischen Ort am ehemaligen Checkpoint Charly. Indem Frank Thiel die beiden Portraits als Stellvertreter für nahezu 50 Jahre Geschichte nimmt, unterstellt er diesen Gesichtern Repräsentativität. Die Uniformen und die kindlichen Gesichter unterstützen dies. Nimmt man die Uniformen ernst, dann haben diese Jungsgesichter, die darin stecken, bis heute nichts von ihrer erschreckenden Wirkung verloren. Die gesamte Ecke Friedrichstraße, Kochstraße hat sich heute mit Wimpeln und Souvenirs und Fellmützenverkäufern zu einem Erlebnispark entwickelt. Hier aber passt sich Frank Thiels Leuchtdisplay wunderbar ein, indem er mit denselben Mitteln der Werbung und ebenso plakativ arbeitet. Er steht in heimlicher Komplizenschaft mit diesen und eine Verwechslung sollte nicht ausgeschlossen werden, schreibt er selbst bereits in seinem Wettbewerbsentwurf 1996.


Thomas Leuner: Und was ist noch mit Fotografie im öffentlichen Raum und Bau möglich? Wo sind da Chancen und Aussichten für die Zukunft?


Thorsten Goldberg: Mir fällt immer wieder auf, dass mit der Fotografie als Kunst im öffentlichen Raum und als Kunst am Bau wieder eine Abbildhaftigkeit in dieses Feld einzieht, die es hier bisher nicht so gegeben hat. Abbildung von Menschen als Skulptur in der zeitgenössischen Kunst im öffentlichen Raum ist besetzt durch wenige relevante Positionen. Wenn ich gegossene Büsten oder Brunnenfiguren außen vor lasse, fallen mir nur wenige skulpturale Beispiele für abbildhafte menschliche Figur in der Kunst im öffentlichen Raum ein. Es ist nicht so, dass ich das vermisse - ich hätte selbst weder Bedürfnis noch eine Lösung dafür. Umgekehrt bringt die Fotografie aber genau diese Möglichkeit mit sich. So werden Menschen häufig als Verweis auf historische Zusammenhänge dargestellt oder historische Abbildungen dienen als Zitat. Natürlich ist Fotografie nicht unbedingt abbildhaft, aber es scheint ihr jedenfalls leichter von der Hand zu gehen. Abbildhaftigkeit hat in der Fotografie eine andere Bedeutung als in der Skulptur. Weil bisher Fotografie in der Kunst am Bau und auch in der Kunst im öffentlichen Raum kaum eine Rolle gespielt hat - ich erinnere mich u.a. an die damalige Ausstellung "Fotografie als Kunst im öffentlichen Raum" von Daniela Goldmann, Rupert Walser, Bernhard Wittenbrink 1991 in München, tritt nun, mit der Entwicklung des Begriffs Kunst im öffentlichen Raum und mit der Einbeziehung weiterer technischer Möglichkeiten - also durch die Einbeziehung fotografischer und auch filmischer Mittel wieder eine Abbildhaftigkeit in die Kunst am Bau und in die Kunst im öffentlichen Raum ein. Das gilt selbst für dauerhaft im Außenraum aufgestellte Arbeiten. Weiteres Beispiel hierfür ist das unweit vom ehemaligen Checkpoint Charly gelegene Denkmal zur Erinnerung an die Ereignisse des 17. Juni 1953. Es wurde 2000 durch einen geladenen Wettbewerb realisiert. (Der Auslober hatte entschieden, den von der Fachjury preisgekrönten Vorschlag von Katharina Karrenberg nicht zu realisieren und entschied sich für den zweitplazierten Vorschlag). Mit dem Zitat einer historischen Zeitungsfotografie der Demonstrationen im Juni 1953 erinnert Wolfgang Rüppel an diese erste Massenerhebung im Machtbereich der Sowjetunion, die vom sowjetischen Militär mit Hilfe der Volkspolizei niedergeschlagen wurde. Der Vorplatz des heutigen Bundesministeriums für Finanzen an der Ecke Wilhelmstraße / Leipziger Straße war einer der zentralen Orte des Aufstandes. Grob gerastert und doppelt auf übereinanderliegende Glasplatten gedruckt, ist das weiterbearbeitete Zeitungsbild bodenbündig in den Platz eingelassen. Mit einer abgeschrägten Steinbrüstung gerahmt und dank der grünlichen Glasfärbung assoziiert es ein Bassin, das sich sehr langgestreckt (24 x 3 m) zentral auf dem Vorplatz befindet. Eine historische Fotografie, die an diesem Ort ihren Ursprung hat, kommt heute an dieser Stelle künstlerisch bearbeitet zur Anwendung. Die Arbeit nimmt in Position und Maß Bezug auf das Wandbild Max Lingners von 1952 in der gegenüberliegenden Pfeilervorhalle. Das Propagandabild aus Meissner Porzellanfliesen ist betitelt: "Die Bedeutung des Friedens für die kulturelle Entwicklung der Menschheit und die Notwendigkeit des kämpferischen Einsatzes für ihn“. Unter den Nationalsozialisten befand sich an gleicher Stelle ein Soldatenfries des Stuttgarter Malers und Bildhauers Arnold Waldschmidt. Wir haben es also mit einer Abfolge von Bildern an diesem Ort zu tun, die unter Beibehaltung des Formats, ihre Ebene und das Material und natürlich die Bedeutung verändern und somit einen Prozess darstellen, dessen derzeitiger Endpunkt die Arbeit von Rüppel darstellt.

Zur Arbeit von Ute Lindner "Through the Looking Glass" am Savigny- Platz: Die ehemalige Torsituation eines Eingangshäuschens einer Gartenanlage aufgreifend hat Ute Lindner den Durchgang des heute als Trafostation genutzten Hauses zu einem fotografischen Illusionsraum gestaltet: Lebensgroße stehende und hockende Figuren sind auf die großen Glasflächen aufgedruckt und mit Airbrush und Pinsel ausgemalt und eingebrannt. Der ehemalige Durchgang wird so zu einem vitrinen- artigen Glaskörper, in dessen Inneren die Figuren zu stehen scheinen. Nachts sind die Gläser von hinten beleuchtet, so dass die Figuren als dunkle Silhouetten erscheinen. Auch hier belebt die Fotografie also einen historischen Ort wieder, indem sie Figuren in den leeren Raum stellt. Letztendlich eine ziemlich einfache Strategie, die mit fotografischen Mitteln zu funktionieren scheint. Ähnliches mit plastischen Mitteln zu versuchen, wäre eher komisch.


Thomas Leuner: Noch abschließend eine konkrete Frage. Wie sollen Fotokünstler vorgehen, um erste Erfahrungen im Kunst am Bau zu sammeln? Was würdest du raten?


Thorsten Goldberg: Durch Teilnahme an öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerben - die sind jedoch ziemlich rar und sprechen zumeist Bildhauer an. In Berlin verweise ich auf das Büro für Kunst im Öffentlichen Raum des Kulturwerks des bbk-berlins. Es verwaltet eine umfangreiche Kartei mit Katalogen und Mappen von Künstlern, die in diesem Bereich in Berlin tätig sind. Aus dieser stets aktualisierten Kartei holen die Bezirke Vorschläge für geladene künstlerische Wettbewerbe ein. Berliner Künstler, die mit einem Bezug zum Ort arbeiten und Interesse an solchen Verfahren haben, können hier eine Mappe mit Arbeitsbeispielen einreichen. In einigen anderen Städten gibt es ebenso Gremien, die Vorschläge für Wettbewerbsverfahren machen. Die Strukturen sind jedoch in jeder Stadt verschieden und nicht immer transparent.


Thomas Leuner: Vielen Dank für das Gespräch.


(Thomas Leuner ist Fotograf in Berlin und Zürich und Herausgeber der Internetzeitung Fotokritik http://www.fotokritik.de, dem Blog zur zeitgenössischen Fotografie und digitalen Bildkunst. Der Artikel ist dort zuerst erschienen im Mai 2008 unter dem Titel: Fotografie als Kunst im Öffentlichen Raum - ein Gespräch mit Thorsten Goldberg von Thomas Leuner)


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